Unverbindlichkeit statt Partnerschaft
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Die Verbindlichkeit der Unverbindlichkeit: Warum aus vielen Dates nichts wird

von Redaktion

Sexy, smart, Single – so lautet der Header eines Beitrags in der Sommerausgabe des Frauenmagazins Cosmopolitan (07/2017). Darin fragt eine Autorin der Zeitschrift, warum ihre Dates aus Tinder & Co. immer im Sande verlaufen, obwohl sie doch vielversprechend gestartet sind. Dazu geht sie den unkonventionellen Weg und fühlt den Ex-Dates, die auch Ex-Liebhaber sind, auf den Zahn, was angesichts von Ghosting gar nicht so einfach ist. Dennoch gelingt es ihr, die Herren noch einmal zum Gespräch zu bitten, um die brennende Frage der ebenfalls gefühlt hunderttausend anderen Frauen endlich zu beantworten: „Warum hat es nicht geklappt?“

Herauskommt dabei eigentlich nicht mehr, als das, was wir nicht ohnehin schon geahnt haben: Die Herren sind mehrgleisig gefahren, in den meisten Fällen lauten die Antworten: „Ich hab jetzt eine Freundin oder mit einer anderen Frau wird es gerade ernst“. Natürlich ist das kein Männerphänomen, aber Männer machen es öfter als Frauen. Die Kernessenz, die dahinter steckt lautet: Unverbindlichkeit, mal sehen, ob noch was Besseres kommt.

Über die Verbindlichkeit im Allgemeinen

Verbindlichkeit ist eine deutsche Tugend, sie hält unser System aufrecht und galt lange als soziale Norm. Ohne Verbindlichkeit hinge jeder von uns in allen Lebensbereichen in der Luft. Was wäre, wenn der Bäcker nur nach Lust und Laune Brötchen backen würde, der Arbeitgeber sich für alle Zeiten offen hält, ob er uns überhaupt einstellen oder das Gehalt zahlen möchte, die Mutter ihre Kinder hin und wieder nur zur Schule gehen lässt oder Autofahrer sich nach ihrem Gutdünken im Verkehr verhalten würden? Kurz und gut: Chaos würde ausbrechen, nicht nur organisatorisch, sondern auch im Kopf, denn keiner könnte sich mehr in irgendeiner Weise irgendeiner Sache sicher sein. Alles wäre unbeständig, weil ja unverbindlich. Daher gibt es verbindliche Zusagen, Verträge, Regelungen. Nur in der Liebe scheinen sie sich aufzulösen – Unverbindlichkeit lautet hier das Mantra im Internetzeitalter. Und dabei wird die Unverbindlichkeit schon selbst verbindlich und gängig, aber gesellschaftsfähig ist sie deshalb noch lange nicht.

Liebe und Sex sind heute unverbindlich

Schauen wir uns die Profile in den Single- und Partnerbörsen oder auf C-Dating-Portalen an: Das Wort unverbindlich taucht hier sehr oft auf: Unverbindliches Kennenlernen, unverbindlicher Sex, Sex ohne Verpflichtungen, mal sehn was so kommt. Das ist aber ganz und gar nicht das, was wir wollen: Denn im Grunde sehnt sich jeder nach Verbindlichkeit und Verlässlichkeit in Freundschaften, Partnerschaften und auch in Sexbeziehungen.

Die große Auswahl und die überdimensionierten Anforderungen an den Menschen in jeder Hinsicht, machen es den „Unverbindlichen“ leicht. Heute dieses Date, morgen dieses Date und übermorgen jenes Abenteuer. Festlegen, zulassen, dass man nur eine Person besser kennenlernt und sich auf sie einlässt, ohne gleich schon Person B, C und D im Hinterkopf zu haben, scheinen Tugenden aus einer vergangenen Zeit zu sein.

Fernab von Online-Dating und Kontaktanzeigen in den Printmedien, passiert das sogar noch ab und an. Frau oder Mann lernt jemanden kennen und konzentriert sich erst einmal ausschließlich auf diese Person. Nur so kann sich auch etwas entwickeln. Letztlich entscheiden weder die Optik, noch das Gewicht, der Berufsstand oder sonstige oberflächlichen Faktoren darüber, ob aus zwei Menschen ein Liebespaar wird. Das einzige, was diese Menschen zusammengebracht hat, war die Verbindlichkeit, sich aufeinander einzulassen.

Was sagt uns die traurige Tatsache der Unverbindlichkeit?

Nur jeder für sich selbst kann dagegen steuern, wenn er die Suche nach einem Lebenspartner oder Sexpartner im Internet betreibt. Klare Ansagen wie: „Ich suche verbindlich, ich möchte keine Nummer in einer langen Liste sein und auch nicht eines von hundert Dates“ sind ein Anfang, der durch seine unverblümte und direkte Art die Unverbindlichen auf Distanz oder ganz fern halten kann.

Unverbindlichkeit ist oftmals auch ein Manöver, um von eigenen Unzulänglichkeiten oder Unwahrheiten abzulenken. Falsche oder alte Profilbilder, Angaben im Profil, die nicht der Wahrheit entsprechen, Geheimnisse und Probleme am laufenden Band – Der oder die Unverbindliche hält sich damit das Rückzugtürchen automatisch offen, wenn das Gegenüber beim Date mit den Wahrheiten konfrontiert wird.

Jeder sollte sich selbst fragen, ob ihm Unverbindlichkeit im zwischenmenschlichen Bereich gut tut. Langfristig bleiben Wünsche und Ziele unerfüllt und Unverbindlichkeit kann richtig anstrengend werden. Noch dazu die vielen Menschen, die sauer auf einen sind und einen zum Teufel wünschen, weil man so unverbindlich war wie man ist.

Ein schönes Buch zum Thema, das sich eingehend mit der Materie befasst, hat Autor und Journalist Maximilian Probst herausgebracht. Es trägt den Titel: „Verbindlichkeit – Plädoyer für eine unzeitgemäße Tugend“ und ist im Rohwolt Verlag (2016) erschienen. Probst hat einen Vertrag mit sich selbst geschlossen und ist der Meinung, dass jeder so einen Vertrag mit sich selbst für alles Mögliche gebrauchen kann, anstatt sich einfach so im Leben durchzuwurschteln. Das Buch zeigt auf, dass gerade in der Zeit, in der alles so unverbindlich und komplex geworden ist, die Menschen sich mehr denn je wieder nach Einfachheit und Verlässlichkeit sehnen. Er wagt den Spagat, herauszufinden, wie sich die Widersprüchlichkeit von Verbindlichkeit und jederzeitiger Verfügbarkeit auflösen und aufhalten lässt. Unbedingt lesenswert.

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