Altersglühen ist ein reizender Film ganz und gar nicht nur für die ältere Generation. Deutsche Filme zur modernen zeitgemäßen Partnersuche, z.B. zum Thema Speed-Dating, sind eher selten. Neben dem Filmwerk „Shoppen“, das die Suche nach dem Bestpartner in der Altersspanne 30 bis 40 Jahren mit raffinierter Ironie und doch ungeschönt behandelt, findet sich mit „Altersglühen“ ein Pendant, welches sich mit Speed Dating für Senioren beschäftigt. Beide Filme sind auch unabhängig vom Alter der Zuschauer sehenswert und geben auf ihre ganz besondere Art Auskunft, wie so ein Speed Dating bzw. das Vorher/Nachher ablaufen kann und wie emotionsgeladen es dabei zugeht.
Die Autorin des Beitrags kann den Film ausdrücklich empfehlen, auch wenn er zu Beginn und vielleicht in einigen Passagen ein wenig langatmig anmutet, was aber ein Stück weit gewollt ist. Denn gerade die Pausen zwischen den Dating-Runden, in denen sich die Teilnehmer meist auf die Toilette zurückziehen, offenbaren Gefühle allein durch Mimik und Gestik.
Der Inhalt von Altersglühen – Speed-Dating für Senioren
Das Gleichgewicht von Singledamen und Singleherren ist in diesem Film nicht ausgewogen. Sieben Frauen und sechs Männer kommen in einem mondänen Herrenhaus in Hamburg zusammen, das auch von der Location her nicht unbedingt den deutschen Speed Dating-Standard abbildet, denn meist sind es Clubs, Restaurants oder größere Eventlocations, in denen das schnelle Dating stattfindet. Die Charaktere sind allesamt gut gemischt, vom Lehrer über die Geschäftsfrau, die Gärtnerin, den Malermeister oder ehemaligen Offizier bis hin zur Putzfrau. Der Mix macht Speed-Dating auch im realen Leben immer wieder zu einer spannenden Angelegenheit.
All diese Singles in ihrem mehr als gestandenen Alter haben Hoffnungen, Erwartungen, Wünsche, die sie vielleicht durch diesen doch teuren Event (50 Euro Teilnahmegebühr) vielleicht noch realisieren können. Dabei sind die Charaktere sehr offen und direkt, was man nicht unbedingt von der älteren Generation in diesem Maße erwarten würde. Der Film hat stellenweise etwas von einer Dokumentation und wer sich auf ihn einlässt, der darf schmunzeln, ab und an staunen, was sich da so gegenseitig unverblümt gesagt und gefragt wird und mehr oder weniger enttäuscht sein, wenn sich die Runde am Ende einfach so auflöst und der Film endet.
Der Umgang ist freundlich, bisweilen etwas rau und auch ungeduldig, es wird gebalzt, mal direkter und mal indirekter. Es gibt diese Eitelkeiten, die sich ja niemand eingestehen will und die in den „Toilettenpausen“ vorm Spiegel so richtig zum Tragen kommen. Wunderbar ist die Unbeholfenheit und Nervosität aller Teilnehmer zu Beginn, aber so ist das beim Speed-Dating – erst einmal zurechtfinden…
Doch gehen wir ans Eingemachte. Die Protagonisten zeigen sich als starke und eigenwillige Persönlichkeiten, viele haben ihre eingefahrenen Vorstellungen von Beziehungen und Abhängigkeiten. Gesucht wird augenscheinlich nicht unbedingt die große Liebe, vielmehr ein Lebensabschnittspartner, der die Einsamkeit und die Hürden des Alters mit einem teilt. Da kommen zum Teil klare Ansagen herüber, wonach Mann oder Frau auf der Suche ist: Haushaltshilfe, Putzfrau, spirituell-sexueller Partner, Egopusher, Beschützer, Ersatzmann oder Ersatzfrau für verstorbene Partner. Niemand will sich eingestehen, dass er in der Tiefe seine Herzens eben doch das eine sucht: Die Liebe.
Die Stimmung ist gekonnt aufgesetzt, jeder versucht sich ins beste Licht zu rücken, nur wenige sind ganz sie selbst. Auf den Mund gefallen ist keiner, so z. B. auch der untersetzte Hartmut Göttsche (Jochen Stern) nicht, der eine seiner Rundenpartnerinnen völlig frei von der Leber fragt, ob sie ihn attraktiv findet und diese ihm sehr direkt antwortet, dass sie ihn nicht attraktiv findet.
Altersglühen: Produktion, Besetzung, Kritiken, Auszeichnung
Altersglühen wurde im Jahr 2013 an zwei Tagen unter Regisseur Jan Georg Schütte, der im Film auch selbst als Veranstalter mitspielt, gedreht. Unter den Schauspielern, die in die Single-Rollen schlüpften, finden sich ausnahmslos Gesichter, die den Fans der deutschen Film- und Fernsehkultur bekannt sind, z.B. Matthias Habich, Jochen Stern, Christine Schorn. Mit Senta Berger und Mario Adorf konnten auch zwei grandiose international erfolgreiche Stars ins Boot geholt werden. Der Fernsehfilm wurde im Auftrag der ARD gedreht und am 12. November 2014 erstmals ausgestrahlt. Mit über 5 Millionen Zuschauern konnte Altersglühen einen großen Erfolg verbuchen. Das Besondere am Film ist die Improvisation der Schauspieler in weiten Teilen, die vom Regisseur gewünscht war. Das macht den Film lebendig und sehr offen. Große deutsche Tageszeitungen wie FAZ und Süddeutsche lobten Altersglühen in höchsten Tönen. Auch die zahlreichen Auszeichnungen, darunter der Sonderpreis Idee und Konzept des Fernsehfilmfestivals Baden-Baden 2014 für den Regisseur und der Grimme Preis 2015 für Jan Georg Schütte und Ulf Albert (Schnitt), zeigen, dass ein sehr sensibles Thema wie Partnersuche im Alter zeitgemäß umgesetzt werden kann.
Altersglühen: die Empfehlung der Autorin
Lachen, Ärgern, Schmunzeln, ein bisschen Schadenfreude, teilweise Unverständnis und die Freude an einigen Klischees, die auch die Partnersuche im Alter generell begleiten – All das kommt beim Film Altersglühen nicht zu kurz, wenn man sich selbst ein wenig an die Darsteller und ihre Rollen gewöhnt hat. Unterm Strich ist es erstaunlich, wie offen hier die ältere Generation mit ihrem Gegenüber umgeht, mitunter je nach Paar aber auch sehr gehemmt und teilweise mit nicht zu verbergenden Aggressionen.
Die Quintessenz des Filmes ähnelt der von Shoppen: Eine unangenehme Leere nach dem Speed-Dating, aber währenddessen ein Feuerwerk an angestauten Emotionen. Wer Zeit und Lust hat, sollte sich beide Filme nacheinander ansehen. Die Erkenntnis, dass sich außer der optischen Unterschiede, aufgrund des Alters und diversen Slangs der Persönlichkeiten, eigentlich keine wesentlichen Unterschiede finden, zeigt wieder einmal wunderbar, dass der Wunsch nach Liebe, Anerkennung, gemeinsam statt einsam keine Altersgrenzen kennt. Sie zeigt aber auch mit welch großem Umfang an Erwartungen, Hoffnungen und Sehnsüchten die Teilnehmer ins Speed-Dating gehen, was man ja eigentlich nicht machen sollte. Es liegt aber wohl in der Natur des Menschen, dass er, gleich in welchen Bereichen, immer irgendetwas erwartet oder erhofft.